Querelles Jahrbuch - Neuerscheinung
Band 5 (2000):
Transgressionen. Grenzgängerinnen des moralischen Geschlechts
Herausgeberinnen des Bandes:
Elfi Bettinger und Angelika Ebrecht
Der Band greift mit dem Begriff Transgression eine in den USA und England geführte Diskussion auf, die sich im Gefolge einer lebhaften Foucault-Rezeption vor allem in den Kulturwissenschaften und den Gender-Studien artikuliert. Um eine kulturelle Norm dessen, was Weiblichkeit ausmacht, etablieren zu können, muß die Kultur immer wieder Grenzziehungen vornehmen, bei denen zugleich das Verhältnis der Geschlechter zur Verhandlung ansteht. In diesem dynamischen Prozeß werden Normen bestätigt, erneuert, verschoben oder verworfen. Diese Verschiebungen des moralisch wie rechtlich kodifizierten Geschlechterverhältnisses sollen durch das Jahrbuch konzeptionell und phänomenal mit Hilfe des Begriffs Transgression präzisiert werden. Überschreitungsakte wirken in sich widersprüchlich: moralisch wie amoralisch, verunsichernd und dynamisierend, regressiv, aber auch transzendierend. Inwieweit individuelle Überschreitungen als Travestie und politische Strategie im Umgang mit gesellschaftlichen Geschlechternormen gelten können oder psychopathologisch bzw. sozialpsychologisch als Macht- bzw. Anpassungssymptom begriffen werden müssen, steht zur Diskussion. An historisch spezifischen Reaktionen auf Grenzüberschreitungen läßt sich die prekäre Instabilität des durch Konvention Gesetzten erforschen. Die von den Grenzgängerinnen herbeigeführte Wahrnehmungs- und Beurteilungskrise macht den Prozeß durchschaubar, in dem sich die Gesellschaft selbst definiert und verändert, insofern am Umgang mit dem Normenbruch ersichtlich wird, was eine Gesellschaft verkraftet und was sie zu tolerieren bereit ist. Daß an Tabus gerührt wird, zeigt sich am Aggressionspotential, das Grenzüberschreitungen bei den Beteiligten wie bei den Beobachtenden zumeist freisetzen.
Die Beiträge des Bandes diskutieren Transgressionsphänomene im Spannungsfeld der Geschlechterdifferenz in theoretischen Beiträgen und exemplarischen Falluntersuchungen aus philosophischer, juristischer, historischer, psychoanalytischer, sozialpsychologischer sowie kultur- und literaturwissenschaftlicher Perspektive.
Inhalt
Einleitung
- Angelika Ebrecht, Elfi Bettinger: Einleitungsessay
Aufsätze
Transgression und Medialität
- Judith Butler: Lanas 'Imitation': Melodramatische Wiederholung und das Performativ des Geschlechts
- Elfriede Löchel und Elke Rövekamp: Animalisch versus artifiziell: Deutungen des Destruktiven in einer Diskussion über den Film Nikita
- Elke Rövekamp: "... guilty of the strongest transgression". Urszenenphantasien im Horrorfilm am Beispiel von Alien
Transgression und psychokulturelle Umwertungen
- Brunhilde Wehinger: Dramatische Bewegung - zum Stillstand gebracht. Zur Rezeption der Bildhauerin Camille Claudel
- Helga Quadflieg: Kleine Fluchten: Isabella Bird und ihre Reisen nach Amerika
Transgression und Sexualität
- Marina Warner: "Zur unersättlichen Gier weiblicher Ungeheuer"
- Hans Richard Brittnacher: Goldenes Herz, vergiftetes Geschlecht. Verfemung und Verklärung der Hure in Kunst und Literatur
- Brigitte Kerchner: Die Sexualverbrecherin. Die paradoxe Konstruktion weiblicher Tätertypen in der historischen Kriminalpsychologie
Transgression und rechtliche Norm
- Carmen Gransee: "Weiblichkeit" im Spannungsfeld von Anpassung, Aufbegehren und "sozialem Tod". Einige sozialpsychologische Thesen zur Rezeption eines Kriminalfalles
- Sabine Berghahn: Die Lehrerin mit dem Kopftuch. Oder: Wieviel weibliche Devianz vertragen Schülerinnen, Schulbürokratie und die deutsche Öffentlichkeit?
Fundstücke
- Hania Siebenpfeiffer: Darstellung weiblicher Delinquenz in der Gartenlaube
- Garthine Walker: Widernatürliche Mütter? Die Tötung neugeborener Kinder und das englische Gesetz im siebzehnten Jahrhundert
- Karsten Uhl: Die Heilige als Sexualverbrecherin. Die Kriminologie schreibt Charlotte Corday in ihren Diskurs ein
- Klaus Laermann: Hannah Snell - Pamela in Uniform
Forum
- Grenzerweiterung als feministisches Lebensprinzip? Ein Interview mit der Literaturwissenschaftlerin und Krimiautorin Carolyn Heilbrun alias Amanda Cross
Rezensionen
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